Narzissmus ist eine psychische Störung, von der ca. ein Prozent der Bevölkerung betroffen ist. 75 Prozent davon sind Männer, 25 Prozent Frauen. Im Unterschied zu einem alltäglichen Narzissmus wird eine echte Persönlichkeitsstörung dadurch sichtbar, wie stark die Krankheitsmerkmale ausgeprägt sind, welche Dynamik sich in den gelebten Beziehungen zeigt und in welchem Ausmaß der betroffene Mensch psychisch flexibel handeln kann. Die Störung wird oft stigmatisiert. Im Internet finden sich viele destruktive Ratschläge. In diesem Beitrag geht es um ein Verstehen der Charakterzüge der betroffenen Personen.
Man kann davon ausgehen, dass wesentlich mehr Menschen narzisstische Züge aufweisen. Die Haupteigenschaft von Narzissmus ist, dass betroffene Personen ihre Störung ohne Hilfe von außen nicht selbst wahrnehmen können. Sie haben eine verzerrte und überhöhte Selbstwahrnehmung. Hinzukommt, dass Betroffene nur wenig bis gar nicht empathiefähig sind. Ohne ein Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmt und ihr Verhalten dysfunktional ist, suchen sich Betroffene keine Hilfe und tauchen daher in keiner Statistik auf. Menschen mit narzisstischen Zügen können nicht wahrnehmen, dass ihr Umfeld unter ihnen leidet und sich an ihnen abarbeitet. Ich betone hier, dass sie es (noch) nicht können. Auch Narzissten sehnen sich nach Liebe und Beziehung bei gleichzeitiger Unfähigkeit, diese gesund zu leben. Die gute Nachricht ist, dass auch narzisstische Menschen an sich arbeiten und ihre Situation verbessern können.
Die betroffenen Menschen haben ein verzerrtes Eigenbild. Dies besteht aus mindestens zwei Selbst: Ein ursprüngliches, authentisches Selbst, das abgelehnt wird. Und ein verzerrtes Idealbild, das den Gegenspieler darstellt und sich fast ausschließlich im Alltag zeigt. Im Spannungsfeld dieser beiden Selbstbilder spaltet sich der narzisstische Mensch. Narzissten weisen ein anhaltendes Muster von Grandiosität, Bewunderung und mangelndem Mitgefühl auf.
Um eine Diagnose zu stellen, müssen laut DSM-5-TR mindestens fünf der folgenden Kriterien erfüllt sein (MSD-Manuals 2023):
Ein übertriebenes, unbegründetes Gefühl der eigenen Bedeutung und Talente (Grandiosität).
Die Beschäftigung mit Phantasien von unbegrenztem Erfolg, Einfluss, Macht, Intelligenz, Schönheit oder der vollkommenen Liebe.
Der Glaube, dass sie speziell und einzigartig sind und sich nur mit Menschen auf höchstem Niveau verbinden sollten.
Der Wunsch, bedingungslos bewundert zu werden.
Ein Gefühl des Anspruchs.
Ausnutzung anderer, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.
Ein Mangel an Empathie.
Neid auf andere und der Glaube, dass andere sie beneiden.
Überheblichkeit und Hoffart.
Das Selbst ist gespalten in (1) ein authentisches, sehr bedürftiges und gleichzeitig verdrängtes Selbst und (2) in ein idealisiertes, empathiefreies und sichtbares (narzisstisches) Selbst. Dazwischen ist eine Linie der Bewertung. Der Narzisst ist unermüdlich auf der Suche nach Anerkennung für sein idealisiertes Selbst. Er umgibt sich mit Menschen, die die narzisstische Seite in ihm aufrechterhalten. Seine Persönlichkeit sucht etwas, was seinem authentischen Selbst nicht entspricht. Deshalb kann er die gesuchte Anerkennung nie befriedigen. Würde ein narzisstischer Mensch das tun, was sein wahres, authentisches Ich braucht, dann wäre die Anerkennung nur einmal nötig. Die Wiederannäherung an das authentische Selbst würde die Lücke zum narzisstischen Ich für immer schließen.
Seine Selbstverwirklichung verhindert der Narzisst durch Prokrastination in vielen Lebensbereichen. Hinter der Prokrastination steckt die Angst vor Ablehnung und davor, Fehler zu machen. Ein Grund für das Aufschieben von Aufgaben sind sein geringes Selbstwertgefühl und seine Versagensangst. Ein narzisstischer Mensch hat große Angst zu scheitern, deshalb schiebt er die Aufgaben lieber auf nach dem Motto "Das schaffe ich nicht". Das Prokrastinieren ist zudem ein Ausdruck seiner nicht-ausgesprochenen Haltung zu den Aufgaben. Aus "Ich habe keinen Bock auf diese Aufgabe" wird "Ich leide unter Prokrastination". Dadurch wird er zum Opfer. Er wird bedauert und erhält negative Anerkennung. Um das vernichtende Gefühl der inneren Unzulänglichkeit zu verdrängen, sorgt er nach außen für Perfektion. Erhält er Druck von außen, geht er die Aufgabe an und versucht, sie zu bewältigen. Dabei ist er zwiegespalten: Einerseits will er weiter perfekt nach außen wirken, dazu gehört die Erledigung der Aufgabe. Andererseits ist er total überfordert, weil er Angst hat, zu scheitern. Die Spaltung kostet enorme Kraft. Er wird die Aufgabe nur unter Mühe zu Ende bringen oder sie vorzeitig abbrechen. Aufgrund seiner Spaltung ist die Aufgabe nie zu Ende. Erst, wenn er sich mit dem Gefühl der inneren Unzulänglichkeit beschäftigt, können seinen gespaltenen Selbstbilder zur Ruhe kommen.
Neben den offen ausgelebten narzisstischen Zügen gibt es auch Menschen mit einer verdeckten, passiv-aggressiven Form des Narzissmus. Diese Form ist nicht so leicht zu entlarven, weil sich die Betroffenen sehr angepasst verhalten und nach außen kaum auffallen. Dieser Narzisst verwirrt sein Gegenüber durch Gaslighting oder fügt ihm heimlich Schaden zu, indem er sich z. B. nicht an Abmachungen hält. So hat ein Paar vielleicht eine gemeinsame Regelung für die Betreuung der Kinder vereinbart. Sobald der Narzisst die Chance hat, selbst beruflich aufzusteigen, wird er dies tun. Er hält sich nicht mehr an die ursprüngliche Abmachung und lässt die Frau mit der Kinderbetreuung allein. Ihm fehlt es an Empathie, gleichzeitig ist die Idealisierung durch andere wichtiger. Er nutzt seine Partnerin, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Insgeheim erlebt er innere Befriedigung, während seine Frau unter der Last leidet.
Narzissmus hat auch eine positive Seite. Das Gefühl der Grandiosität beflügelt, sich beruflich nur nach oben zu orientieren, wie im eben genannten Beispiel.
In der griechischen Mythologie war Narziss ein schöner Jüngling, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte. Er war dumm. Narziss konnte nicht schwimmen und vergaß dies. Ihm war nicht bewusst, dass er sich in einer Quelle spiegelte und in sein Selbstbild verliebt war. Die Liebe anderer wies er zurück.
Narzissmus wird genetisch vererbt, hinzu kommt eine entsprechende Sozialisierung. Besonders gut gedeiht Narzissmus bei wenig elterlicher Zuneigung und Lieblosigkeit in der Kindheit. Oft mussten die Betroffenen mit der Emotionslosigkeit ihrer Eltern umgehen. Der Narzisst erfuhr als Kind wenig Beachtung und Anerkennung, dafür viele Kränkungen und Ignoranz. Im Kind entstand das Gefühl, ein Nichts und Niemand zu sein. Das ideale Selbst wurde von den Menschen, die den Narzissten geprägt haben, hochgehalten, z. B. indem seine Leistungen gelobt wurden. Die Ohnmacht durch die emotionale Kälte hat der Narzisst durch Verarbeitungsstrategien (wie die Anerkennung im Außen zu suchen) überkompensiert in "Ich bin der Größte". Das Kind hat gelernt, dass Außenwirkung und Leistungen wichtig waren. Das ursprüngliche, authentische Selbst (das aus Sensibilität, Emotionalität und Verletzlichkeit besteht) wurde von den Bezugspersonen abgelehnt und verdrängt. Der Narzisst hat diese Spaltung übernommen und trägt sie nun weiter. Seine Selbstverwirklichung ist mit den zwei Versionen von ihm selbst unmöglich.
Hinter dem Narzissmus steckt ein transgenerationales Trauma, das durch Entwicklung und Erziehung begünstigt wird. Als Kind hat der Betroffene gelernt, dass er Beziehungen nicht mitgestalten kann. Seine spätere Partnerin bekommt das ab, weil der Narzisst nicht sagt, was er will und sich hinter seinem vermeintlichen Perfektsein und seiner Harmoniesucht versteckt. Aufgrund seiner kalten Kindheit befindet er sich in einer ständigen Untererregung, wodurch ihm die Fähigkeit fehlt, seine Bedürfnisse auszudrücken, (gesund) Grenzen zu setzen und Nein zu sagen. Bekommt er Kritik oder Gegenwind, fühlt er sich gekränkt bei gleichzeitiger Unfähigkeit, seine Gefühle auszudrücken. Nie wieder möchte er die Ohnmacht und Kränkung aus seiner Kindheit empfinden, wo er nicht gesehen wurde. Die Untererregung kompensiert er mit Erregungszuständen im Außen und Oberflächlichkeiten. In der Partnerschaft setzt er harte Grenzen, indem er sein Gegenüber ignoriert, zum Schweigen bringt, in energieraubende Gespräche verstrickt oder abwertet. Es ist ein automatisiertes Muster, das abläuft, wenn der Narzisst Gefahr läuft, dass seine Schwachstellen entlarvt werden.
Die Beziehungen von Narzissten laufen nach ähnlichen Schemata ab. Am Anfang der Beziehung zeigt er sich von seiner besten Seite. Er ist ein guter Zuhörer und macht Versprechungen. Die Partnerin wird mit Liebe überschüttet (Love Bombing). Der narzisstische Mensch braucht die Bestätigung seines idealisierten Selbst durch andere. Um ein attraktiveres Bild von sich zu kreieren, bauscht er seine Erfolge auf und vermittelt das Gefühl, dass es in seinem Leben kein Scheitern gibt (Blowfishing). Er benutzt seine Partnerin, um sich selbst zu spüren. Sie idealisiert ihn und geht davon aus, dass sie einen starken Mann gefunden hat. Der Narzisst ist hilfsbereit, macht ihr Geschenke und nutzt dies als Rückmeldung für seine Großartigkeit. Hilfsbereitschaft ist grundsätzlich eine gute Eigenschaft. Allerdings ist das hilfsbereite Verhalten hier nicht uneigennützig. Die Partnerin wird zur Projektionsfläche für das Selbstwertgefühl des Narzissten. Dies zeigt sich zu einem späteren Zeitpunkt in der Beziehung, wenn die Partnerin in eine Abhängigkeit geraten ist. Dann wird er seine Hilfsbereitschaft als unfaires Ungleichgewicht empfinden und seine Geschenke als Machtmittel nutzen.
Der weitere Verlauf der Beziehung ist durch Illusion und Manipulation gekennzeichnet. Der Narzisst ist nicht an einer tiefen, dafür aber langfristigen Beziehung interessiert. Da das Selbstwertgefühl des Narzissten gestört ist und er sich klein fühlt, versucht er, sein Opfer zu manipulieren. Dazu nutzt er "Gaslighting" und sorgt für emotionale Verwirrung. Der Narzisst verdreht die Wahrnehmung seiner Partnerin solange, bis sie an sich selbst zweifelt, während er auf seinem Recht pocht. In Diskussionen verwickelt er sie, nutzt ihre Worte und ihre Schwachstellen gegen sie (dafür hat er zu Beginn gut zugehört). Er gibt seiner Partnerin das Gefühl, dass etwas mit ihr nicht stimmt, tut ihr immer wieder weh und tritt nach, bis sie ihrer eigenen Wahrnehmung misstraut. Die Beziehung ist ein einziges "Illusions- und Manipulationstheater".
Im entscheidenden Moment - wenn sich die Partnerin emotional sicher fühlt nach der Love Bombing-Phase - zeigt er sein wahres Gesicht und stößt ihr vor den Kopf. Sie ist nun emotional und schlimmstenfalls auch finanziell abhängig von ihm. Er beginnt mit Kleinigkeiten, indem er ihr Verhalten und ihre Gefühle abwertet. Wenn sie ihre Wahrnehmungen ausspricht, fühlt er sich gekränkt und vermittelt ihr das Gefühl, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Sie misstraut ihrer Wahrnehmung und kann nicht glauben, dass dieser "perfekte Mensch" zu so etwas fähig ist. Erhält der Narzisst keine Grenzen, baut er seine Verletzungen und Abwertungen immer weiter aus. Bei der kleinsten Kränkung wird er wütend und geht in den Gegenangriff. Er entschuldigt sich nicht. Falls er sich doch entschuldigt, wird er sich gleichzeitig gekränkt, unfair behandelt und klein fühlen, was sein abwertendes Verhalten der Partnerin gegenüber wiederum verstärkt.
Sein Misslingen und seine Unfähigkeit schiebt er seinen "Untergebenen" (nichts anderes sind die Menschen in seinem Umfeld) in die Schuhe. Ist die Partnerin am Ende ausgebeutet und abgearbeitet, dann ist der Narzisst enttäuscht, dass die emotionalen Leistungen von ihr nicht mehr erbracht werden.
Narzissten verstehen nicht, dass sie selbst das Leid im anderen anrichten und übernehmen entsprechend auch keine Verantwortung für ihr Verhalten. Fremdgehen wird so uminterpretiert, dass es ein notwendiger Akt war. Die angerichteten Verletzungen in der Partnerin werden verdrängt und ausgeblendet. Er hat gelernt, dass er keinen Einfluss auf die Beziehungsgestaltung hat.
Der narzisstische Mensch leidet unter Bindungsangst. Er denkt, dass er nicht so sein kann, wie er möchte und sich in der Beziehung verbiegen muss. Er fühlt sich nicht gesehen und übersieht dabei, dass seine zwei Selbstbilder (von denen die Partnerin meist nur das idealisierte Selbst zu Gesicht bekommt) für Verwirrung sorgen. Dadurch, dass er sich immer wieder liebevoll zeigt, hält die Partnerin nach dem Prinzip Hoffnung ("Er wird sich bestimmt ändern, wenn ich ihm dabei helfe") an der Beziehung fest. Seine eigene Selbstspaltung trägt zur Aufrechterhaltung der Verwirrung bei der Partnerin bei.
Die Partnerin befindet sich in ständiger Ohnmacht und Verlustangst. Solange der Narzisst sich nicht ändern und kritikfähig werden will, hat er die Macht auf seiner Seite. Sobald er sich in Streits angegriffen oder gekränkt fühlt, wird er seine Partnerin abwerten oder mit Trennung drohen. Um die Beziehung aufrechtzuerhalten, muss sich die Partnerin unterwerfen. Jedoch kann auch die Unterwerfung zu einer Trennung von Seiten des Narzissten führen, weil die Partnerin in seinen Augen nun eine Ja-Sagerin geworden ist und der Narzisst diese Eigenschaft abwertet. Solange der Narzisst sich nicht ändern will, bleibt nur die Trennung. Es fühlt sich an wie eine Trennung, die man selbst nicht wollte bzw. eine Trennung aus Vernunft, weil es keine Veränderung gab. Die Partnerin eines Narzissten fühlt sich am Ende abgearbeitet und energielos. Der Narzisst hat sich so perfekt dargestellt, sie in ihrer Wahrnehmung verwirrt und ihr das Gefühl gegeben, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Das lässt sie glauben, dass die volle Verantwortung für sein Verhalten auf ihrer Seite liegt.
Wenn Sie sich entscheiden, an der Beziehung zu einem Narzissten festzuhalten, benötigen Sie ein sehr gutes Selbstwertgefühl. Sie müssen sich bewusst sein, dass Narzissmus eine Selbstschutzstrategie ist. Der narzisstische Mensch ist ein zutiefst verunsichertes und gedemütigtes inneres Kind. Er hatte eine schwierige Kindheit mit wenig emotionaler Zuwendung und Kälte. Dazu kommt ein hoher genetischer Anteil. Ein liebloser Erziehungsstil hat den Narzissmus gefördert. Die Betroffenen haben ein hohes Machtmotiv, weil sie nie wieder die Ohnmacht aus ihrer Kindheit erleben wollen. Durch Aktionslosigkeit behalten sie die Macht in Beziehungen. Hinter dem grandiosen Gehabe sitzt ein zutiefst verunsicherter Mensch, der nicht verletzt werden will. Jedoch verdrängt der Narzisst das Entscheidende: Heute ist er kein kleines Kind mehr, sondern selbst der Täter.
Ihr Wissen darüber, warum der Narzisst so ist, wie er ist, gibt ihm das Gefühl, schwach und klein zu sein. Er fühlt sich nicht auf Augenhöhe mit Ihnen und wird Sie dafür abwerten, dass Sie seine Schwachstellen sehen. Denn diese (erneute) Kränkung und Ohnmacht kann er nicht aushalten.
In der Beziehung zu einem Narzissten stimmen die Aussagen oft nicht mit seinen Handlungen überein. Das liegt an seinem gespaltenen Selbstbild. Der Betroffene bewegt sich zwischen Wunsch und Realität. Da er sich so sehr idealisiert, kann er seinen Ist-Zustand nicht erkennen. Selbst, wenn er sich verändern wollte, hält er sich durch Prokrastination davon ab, indem er Gründe findet und sich ausmalt, wie viel Energie es kostet, die alten Gefühle anzuschauen und zuzulassen. Er hat große Angst vor Ablehnung und fürchtet sich davor, dass seine Außendarstellung verlorengeht oder sein Umfeld ihn nicht mehr idealisiert, wenn er sich schwach und verletzlich zeigt.
In der Realität ist es so, dass es massiv Kraft kostet, das verzerrte Bild nach außen aufrechtzuerhalten. Ständig muss der Narzisst nach Menschen suchen, die ihn idealisieren und dabei gleichzeitig sein Umfeld enttäuschen. Die Partnerin merkt, dass sie einer Täuschung aufgesessen ist, wenn der Narzisst nach der ersten Liebesphase sein wahres Gesicht zeigt. Sie nimmt wahr, dass Reden und Handeln nicht übereinstimmen. Trotzdem misstraut sie ihrer Wahrnehmung, weil sie nicht glauben kann, dass dieser "ideale" Partner in Wirklichkeit so schwach ist.
Wenn Ihr narzisstischer Partner also verspricht, dass er sich ändern will, finden Sie heraus, ob es sich dabei um leere Worte handelt oder ob er es ernstmeint und ein echter Leidensdruck hinter seiner Aussage steht. Beobachten Sie, ob die Versprechen eingehalten werden, was Ihr Partner dafür tut und ob er ernsthaft an einer Änderung arbeitet, weil er sein Muster verstanden hat und ein besserer Mensch werden will, der auch seinem Umfeld guttut. Und zwar nicht zum Zweck der Idealisierung. Sie brauchen ein gutes Selbstwertgefühl, müssen klare Grenzen setzen ("Du bist ein wundervoller Mensch und ich liebe dich. Und gleichzeitig hast du ein großes Problem, für das du Hilfe brauchst, die ich nicht leisten kann") und sich ggf. trennen, wenn die Veränderungsversprechen nur leere Worte sind. Verändern kann sich nur der narzisstische Mensch allein!!
Die erste Zeit in der Beziehung fühlt sich wunderschön, überwältigend und gleichzeitig unrealistisch an. Sie werden überschüttet mit Liebesbotschaften. Diese Gefühle werden bald nachlassen. Sobald es verbindlich wird und der Narzisst merkt, dass er sie "sicher" hat, wird er sich zunehmend unsicher und kontrovers verhalten. Das hängt mit seiner Bindungsstörung zusammen. Er möchte nicht, dass jemand hinter seine Fassade schaut und sich gleichzeitig für andere Bewunderinnen offenhalten.
Als Partnerin existieren Sie nur, um ihm Bestätigung zu geben für sein oberflächliches zweites Ich. Ständig entschuldigen Sie ihn, weil er eine schlimme Kindheit hatte, versuchen ihm zu helfen und nehmen den Kontrollverlust in Kauf. Dabei vergessen Sie, dass er nun erwachsen ist und selbst Verantwortung für sein unangemessenes Verhalten trägt. Äußern Sie Kritik, sind mit seinem Verhalten nicht einverstanden oder bewundern ihn nicht mehr, sind Sie eine Gefahr für die Zerbrechlichkeit und Leere, die hinter seiner Fassade stecken.
Menschen, die Ihnen gut gesonnen sind, werden Ihnen sagen: "Verlass das System, geh raus aus der Verantwortung. Lass ihn los und such dir jemanden, der zu dir steht." Als Partnerin wissen Sie, dass das nicht leicht ist, weil das Toxische an dieser Beziehung ist, dass Sie am Anfang mit Versprechungen eingefangen wurden und Sie nun an sich zweifeln.
Falls Sie noch in der Beziehung stecken: Machen Sie sich eine Liste mit den Dingen, die objektiv vorgefallen sind. An welchen Stellen wurden Sie abgewertet? Wo hat er Ihre Wahrnehmung verdreht? An welchem Punkt in der Beziehung hat sich der Wind gedreht? Sind Sie eine Selbstzweiflerin geworden? Oft werden diese Stellen einfach übergangen und die dazugehörigen Gefühle (Wut, Ärger, Verlustangst) geschluckt.
Machen Sie sich klar: Solange er die Macht hat, stecken Sie in der Ohnmacht und Kontrolllosigkeit. Er hatte eine schwierige Kindheit. Gleichzeitig liegt es in seiner Verantwortung, das zu sortieren und nicht an Ihnen auszulassen. Schaffen Sie ein Bewusstsein, was zu wem gehört und lassen Sie seine Verletzungen bei ihm.
Eine Trennung kann verwirrend sein. Der Narzisst zeigt keine Gefühle, deshalb ist die (Ex)Partnerin irritiert. Sie versucht, sich zu erklären und schreibt vielleicht noch einen Brief, um die Trennung nachvollziehbar zu machen. Der Narzisst wird ihr das Gefühl geben, dass ihm die Trennung nichts ausmacht. Dies kann bei der (Ex)Partnerin ein Gefühl von Verlustangst auslösen. Sie versucht im schlimmsten Fall, wieder seine Nähe zu suchen und der Kreislauf beginnt von vorne.
Nach einer Trennung ist der Narzisst zutiefst gekränkt. Niemand trennt sich von einem großartigen Menschen, wie einem Narzissten. Er versteht seinen eigenen Anteil an der Trennung nicht und wird mit einer seiner gewohnten Strategien reagieren: Er kompensiert seinen Zustand mit Oberflächlichkeiten, betäubt sich durch Erregungszustände im Außen, demütigt die (Ex)Partnerin mit ihren eigenen Mitteln, wertet sie ab oder ignoriert sie (Ghosting). Möglicherweise kontrolliert er sie heimlich (z. B. in den sozialen Netzwerken), um sicherzugehen, dass sie sich schlecht fühlt und keinen neuen Partner hat. Geht es ihr gut, kann er sie wieder abwerten nach dem Motto "Das hätte ich ihr nicht zugetraut, dass sie so schnell über mich hinwegkommt." Geht es ihr schlecht, fühlt er sich bestätigt in seiner Großartigkeit.
Er redet sich ein, dass sie nicht zu ihm gepasst hat. Vielleicht findet er schnell eine neue Partnerin, die sein narzisstisches Ich wieder verwöhnt. Er braucht jetzt ganz viel Idealisierung von außen. Sein Umfeld wird ihn trösten. Den Schmerz lässt er nicht zu, sonst könnte er fühlen, dass er seiner (Ex)Partnerin wehgetan hat. Wäre ihm das bewusst, bliebe ihm nichts übrig, als seinen Anteil zu bearbeiten und zu verstehen, wo er selbst zum Scheitern der Beziehung beigetragen hat. Ihm würde bewusst werden, dass er durch sein Verhalten zu einer gesunden Beziehung beitragen kann.
Da er gelernt hat, dass er Beziehungen nicht mitgestalten kann, ist er ohnmächtig und muss diesen Zustand irgendwie kompensieren. Am besten funktioniert das mit den alten Strategien, in denen es um Leistung und Äußerlichkeiten ging: Er wird sich in der Arbeit verlieren, Dinge kaufen, viele Termine wahrnehmen und sich mit Menschen umgeben, die sein idealisiertes Ich streicheln. Auf diese Weise bleibt er in Unruhe und muss sich nicht mit seinen Gefühlen auseinandersetzen. Sein eigenes Scheitern kann er sich nicht eingestehen, weil das erneute Ohnmacht in ihm auslösen würde.
Nach der Trennung kann es verwirrend bleiben: Waren Sie ein eher anhänglicher Beziehungsmensch, wird er sich aufgrund seiner Bindungsangst trotzig verhalten und Sie ignorieren. Das ist seine Form der Hilflosigkeit und Bestrafung (sensibles, authentisches vs. narzisstisches, idealisiertes Ich). Waren Sie ein distanzierter Beziehungsmensch und sind nach der Trennung auf Abstand gegangen, wird seine Verlustangst ihn antreiben. Er wird versuchen, Sie zurückzugewinnen, weil er Angst hat, Sie zu verlieren (sensibles Ich) oder um die Idealisierung wieder in Gang zu bringen (narzisstisches Ich).
Als (Ex)Partnerin können Sie sein Verhalten nutzen und von der toxischen Beziehung heilen:
1) Schauen Sie sich Ihre Liste mit den Dingen an, die während der Beziehung vorgefallen sind und die Sie verdrängt und übersehen haben, weil Sie an sich und Ihrer Wahrnehmung zweifelten. Vertrauen Sie Ihrer Wahrnehmung, denn es ist Ihre Wahrnehmung. Daran ist nicht zu rütteln.
2) Nehmen Sie an, dass er sich nicht verändern will und kann. Er hatte eine schwierige Kindheit.
3) Lassen Sie seine Verletzungen bei ihm. Die Aufarbeitung liegt allein in seiner Verantwortung.
4) Gestehen Sie sich ein, dass Sie an das Gute in dieser Beziehung geglaubt und gehofft haben, dass er sich ändert. Seien Sie nachsichtig mit sich selbst.
5) Lassen Sie Ihre Gefühle zu, auch wenn Sie vorerst verwirrt sind. Aufgrund der Toxizität der Beziehung wird es Ihnen vorkommen, als erlebten Sie einen Drogenentzug. Das ist normal, weil Sie ständig in der Verlustangst gelebt haben und ihr Gehirn dabei Dopamin ausgeschüttet hat. Das kann sich anfühlen wie Liebe. Nach der Trennung werden Gefühle wie Enttäuschung, Wut und Trauer in Ihnen hochkommen. Gleichzeitig haben Sie das Gefühl, ihn noch zu lieben. Das ist normal. Wie bei jeder Trennung brauchen die Gefühle Zeit, um verarbeitet zu werden. Hier umso mehr.
6) Er hat Ihnen zu Beginn der Beziehung das Gefühl gegeben, dass Sie seine große Liebe sind und wollte immer für Sie kämpfen. Machen Sie sich bewusst, dass er Sie damit nur "ins Trockene" bringen wollte. Er hat Ihr Bedürfnis nach Sicherheit ausgenutzt.
7) Um die Partnerin zurückzugewinnen, müsste er sich seiner unangemessenen Verhaltensweisen bewusst werden, sie verändern und mit Ihnen ins Gespräch kommen. Seine Gekränktheit lässt das jedoch nicht zu. Er kann sich keine Fehler eingestehen. Deshalb wird er vielleicht doppeldeutige Botschaften über andere Kanäle senden. Schotten Sie sich davon ab.
8) Bauen Sie sich etwas Neues auf, während er in seiner Unzulänglichkeit verharrt. Er ist so gekränkt, dass er sich nicht mehr melden wird. Falls doch, fehlt ihm vielleicht die Bewunderung durch Sie. Was er in keinem Fall tun wird: Über sein verletzendes Verhalten zu sprechen und ernsthaft nach Lösungen zu suchen. Er will sich nicht verändern. Und er kann es nicht. Das hat nichts mit Ihnen zu tun. Das ist eine schmerzhafte Erkenntnis, weil Sie nichts dazu beitragen können, dass er sich ändert.
9) Durch seine Aktionslosigkeit haben Sie Freiraum gewonnen. Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Ziele, Wünsche und Bedürfnisse. Gehen Sie wieder in Ihr Körpergefühl zurück.
10) Nehmen Sie die Beziehung (und ihr Ende) dankbar an, weil Ihnen das die Möglichkeit zur Selbstreflexion gibt. Sie wissen nun, welches "Paket" zu ihm gehört und was zu Ihnen. Schauen Sie genau hin und Sie werden entdecken, welche Muster und Prägungen Sie aus der Kindheit mitbringen, die Sie empfänglicher für eine narzisstische Beziehung gemacht haben.
Am Ende des Prozesses werden Sie gestärkt in die Welt gehen und bei der nächsten Beziehungsanbahnung sensibler hinschauen. Sie werden einen Partner finden, der Sie so nimmt, wie Sie sind und dessen Liebe beständig ist, auch in Krisen. Jetzt wissen Sie besser, was Ihnen in der nächsten Beziehung guttut und was Sie wirklich brauchen.
Die Kinder von Narzissten befinden sich in einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite lieben sie ihre Eltern. Wie jedes Kind gehen sie davon aus, dass sich ihre Eltern "normal" verhalten. Andererseits müssen sie dauerhaft mit ihren unerfüllten Bedürfnissen leben. Ein narzisstisches Elternteil hat kein echtes Interesse an den Gefühlen der Kinder. Aufgrund der Empathielosigkeit kann der Narzisst sich selbst nicht spüren, damit auch nicht die Bedürfnisse und das Leid des Kindes.
Wenn ein Kind "aus der Reihe tanzt" und nicht den idealisierten Vorstellungen des narzisstischen Elternteils genügt, wird es (wie die Partnerin) abgewertet und als "schwierig" abgestempelt. Die Kinder sind nur wichtig, wenn sie eine Funktion erfüllen, wie die Idealisierung des Elternteils oder zur Darstellung, damit das Bild der Familie nach außen stimmt.
Solange der Narzisst einen Vorteil aus der Beziehung zum Kind hat, wird er versuchen, es in der kindlichen Bindung und Abhängigkeit zu behalten. Das Kind hat gelernt, dass Äußerlichkeiten, Leistung und materielle Werte wichtig sind. Danach wird es auch streben, um die Anerkennung des narzisstischen Elternteils zu behalten. Das Kind wird in der (finanziellen und emotionalen) Abhängigkeit verharren. Damit es die eigene Spaltung zwischen dem authentischen, sensiblen Ich und dem idealisierten, narzisstischen Ich aufrechterhalten kann, braucht es Kompensationsstrategien. Es wird überheblich bei gleichzeitiger hoher Verletzlichkeit und kennt keine Grenzen. Durch die Überheblichkeit fühlt es sich genauso stark wie das narzisstische Elternteil. Narzissten schmücken sich mit ihrer "perfekten" Familie oder einem einflussreichen Freundeskreis. Nach außen erscheinen sie nett, höflich und als guter Elternteil. Das gehört zum "Illusionstheater".
In den meisten Fällen entwickelt das Kind eine psychische Störung. Es zeigt ein gestörtes Bindungsverhalten und gerät unbewusst und häufiger als andere Menschen in Beziehungen mit einem narzisstischen Partner. Hier findet es ein vertrautes Muster. Die betroffenen Kinder haben Schwierigkeiten später eigene liebevolle Beziehungen aufzubauen. Sie können die Bedürfnisse ihrer Partnerin nicht spüren. Hier erkennen Sie sehr gut die Transgenerationalität der Störung im Zusammenhang mit der Sozialisation.
In einer norwegischen Studie (2019) fand man heraus, dass die Kinder narzisstischer Eltern von depressiven Symptomen berichteten, die sich mit zunehmendem Alter verstärkten. Die Kinder sind traumatisiert und haben Schuldgefühle, weil sie die Abwertung der Eltern auf sich beziehen. Bei Kindern, die von ihren Eltern wenig Liebe bekommen und ständig kritisiert werden, entsteht häufig eine soziale Phobie, die Angst vor Bewertung. Aufgrund des Verhaltens ihrer Eltern, die einen hohen Wert auf die Meinung von Außenstehenden legen, entwickeln diese Kinder ein geringes Selbstwertgefühl. Die Wahrscheinlichkeit, dass betroffene Kinder selbst narzisstisches Verhalten entwickeln, ist sehr hoch. Alternativ brechen sie den Kontakt zum narzisstischen Elternteil ab, um sich zu schützen.
»Für die erwachsenen Kinder ist es wichtig, aus der negativen Beziehung zu dem narzisstischen Elternteil herauszukommen« (Stefan Röpke, Psychiater)
Die Störung ist nicht heilbar und trotzdem deutlich verbesserungsfähig. Die Frage ist, ob der Narzisst die Heilung für sein idealisiertes Selbstbild braucht oder für sein Wohlsein. Wenn er sie für sein Selbstbild braucht, wird er wie ein Missionar allen Menschen von seiner vermeintlichen "Heilung" berichten, die ihn dafür anerkennen und loben. Auf der kognitiven Ebene ist der Narzisst sehr lernfähig und erkennt schnell, dass ihm die Heilung zur Aufrechterhaltung seines idealisierten Selbst nutzt.
Zu einer echten Verbesserung ist jedoch Einsicht und der Wille zur Veränderung nötig. Der Narzisst muss verstehen, dass er für seine Heilung einen authentischen, wohlwollenden Spiegel von Menschen um sich herum benötigt. Narzissten brauchen einen dankbaren Blick für Menschen, die ihnen erklären, wie sie funktionieren, weil sie es selbst nicht können. Echte Heilung kann nur auf einem demütigen Weg geschehen.
Leider steckt der Narzisst in einem Teufelskreis, weil er sich mit vielen Menschen umgibt, die sein idealisiertes Ich füttern und selbst kein authentisches Feedback geben können. Der Narzisst hat dauerhaft hohe Erwartungen an sein Umfeld, um möglichst viel Bestätigung zu erlangen. Das ist für ihn Erfolg:
Erwartung + Bestätigung = Erfolg
Würde er seine Erwartungen niedrig halten, wären kaum Bestätigung und Erfolgsgefühle notwendig. Etwa so:
Zufriedenheit = Realität - Erwartungen
Erst wenn das narzisstische Selbst aufgegeben wird, schließt sich die Spaltung und das Selbst kommt zur Ruhe. Wenn der Narzisst sich selbst beobachtet und reflektiert, wird er sehen, wer gerade am Drücker ist (authentisches oder narzisstisches Ich). Je mehr er das narzisstische Ich erkennt und entmachtet, desto mehr wird sich sein authentisches Ich, das sensibel, empathiefähig und verletzlich ist, entfalten.
Zu Beginn der Reise wird sich das idealisierte, narzisstische Ich des Betroffenen möglicherweise gegen die Veränderung aufbäumen, weil es über Jahre die Selbstschutzstrategie des Narzissten war und er sich nicht verletzlich machen will. Ein geschulter Therapeut wird den Betroffenen hier gut abholen.
Nur über seine eigene Hilflosigkeit und Machtlosigkeit kommt der Narzisst an sein wahres Selbst. Solange er versucht, immer wieder sein idealisiertes Selbst durch Äußerlichkeiten zu füttern, gelingt es ihm nicht, authentisch zu sein und die Spaltung wird größer. Erst in der Hilflosigkeit kommt er in die Reflexion über sich selbst. Würde er einmal das tun, was sein wahres, authentisches Ich bräuchte, dann würde dies die Lücke zu seinem narzisstischen Ich für immer schließen.
Wenn Sie einen narzisstischen Menschen in ihrem Umfeld haben, sollten sie Ich-Botschaften formulieren und keine Du-Sätze, da Narzissten keine Kritik vertragen können. Wenn sich Narzissten angegriffen fühlen, verschließen sie sich oder gehen in Gegenwehr z. B. durch Abwertung ihres Gegenübers. Passen Sie auf, dass Sie nicht in Diskussionen verstrickt werden! Der Narzisst ist auf der kognitiven Ebene sehr lernfähig, weil er damit seine nicht vorhandene emotionale Seite kompensiert. Er wird Ihr Verhalten studieren und im richtigen Moment, wenn Sie nicht damit rechnen, in den Gegenangriff gehen, z. B. durch Verstrickung, Abwertung oder Gaslighting.
Solange der Narzisst keine Einsicht über seine Störung hat und keine Heilung für sein Wohlsein anstrebt, ist es schwierig bis unmöglich, ihn zu begleiten. Da Sie davon ausgehen, dass er "perfekt" ist und Sie die Verantwortung für sein Verhalten übernehmen, arbeiten Sie sich an ihm ab und liegen am Ende energielos und abgewertet am Boden. Für den Narzissten liegt der Fehler dann klar bei Ihnen, weil Sie nicht mehr zur Aufrechterhaltung seines idealisierten Selbst beitragen. Sie sollten sich ein dickes Fell anlegen, gute Selbstfürsorge leisten und entscheiden, ob sie den Weg weiter mit dem Narzissten gehen wollen oder nicht. Dazu ist die Einsicht nötig, dass Sie ihn nicht ändern können. Das kann er nur selbst.
Das Gehirn von Menschen mit einer narzisstischen Störung ist unterentwickelt und verzerrt, v. a. in den emotionalen Bereichen. Deshalb hat er keine Angst vor Konsequenzen. Ihm ist nicht bewusst, dass sein Verhalten dazu beigetragen hat, dass er verlassen wurde. Er kann es nicht verstehen. Obwohl er sich nach Liebe und Zuneigung sehnt, kann er diese Gefühle nicht vollends zulassen, weil ihn das auf eine "Affektbrücke" zu seiner Kindheit katapultieren würde und er dann auch das Gefühl der Ohnmacht spüren müsste.
Wichtig ist, zu betonen, dass auch die Partnerin eine verzerrte Wahrnehmung hat. Auch bei ihr ist es ein Muster, sich auf Menschen mit narzisstischer Störung einzulassen, weil sie das vermutlich aus ihrer Kindheit kennt. Sie lebt in der Hoffnung, dass sie ihn ändern kann. Deshalb benötigt es die Veränderungsbereitschaft beider Partner. Der Narzisst braucht eine tragfähige Motivation zur Veränderung und muss sich seiner zwei Selbst bewusst werden, indem er sich fortlaufend fragt, wer gerade agiert (narzisstisches oder authentisches Selbst). Die Partnerin muss gefestigt genug sein, um sich immer wieder zu fragen, welches "Paket" gerade zu wem gehört und wo ihre eigenen Grenzen liegen. Wenn der Narzisst immer wieder etwas in ihr antriggert, was sie selbst verletzt und keine Besserung in Sicht ist, sollte sie besser gehen. Trotz aller Liebe. Denn auch sie benötigt einen sicheren Raum, in dem sie sich mit ihren eigenen Prägungen auseinandersetzen und heilen kann.
Hat der narzisstische Mensch aus seinem Umfeld eine Stimme angenommen und ist bereit, etwas dafür zu tun, sein authentisches Selbst zu seiner vollen Entfaltung zu bringen, könnte der Weg zur Verbesserung so aussehen:
Der Weg zur Besserung sollte professionell begleitet werden. Ob in Therapie oder Coaching, das kommt ganz auf den Anbieter an. Bei einer tiefen Störung mit traumatischen Erfahrungen in der Kindheit ist ein Therapeut der richtige Ansprechpartner. Der Begleiter sollte in jedem Fall geschult darin sein, Narzissmus zu erkennen, denn Betroffene können sich gut tarnen. Sie wollen in den Gesprächen gefallen, so dass sie auch von ihrem Coach oder Therapeuten idealisiert werden und keine schambesetzten Themen ansprechen. Der Wegbegleiter sollte mit dem Thema "Narzissmus" vertraut sein, die Hintergründe kennen und ein gutes Gespür dafür haben, was der Betroffene braucht, um sich sicher zu fühlen und sich zu öffnen. Kontraproduktiv ist ein Begleiter, der immer wieder dazu beiträgt, das narzisstische Ich zu bestätigen und zu verstärken.
Wenn Sie als Partnerin in der Beziehung eine Narzissten haben, empfehle ich Ihnen das wunderbare Buch von Wendy Behary "Mit Narzissten leben". Sie werden sich selbst und Ihrem Partner mit liebevolleren Augen begegnen und verstehen, welche Muster bei ihm und bei Ihnen aktiv sind.
Sie möchten wissen, ob Ihr Gegenüber eine narzisstische Störung hat?
Fragen Sie ihn nach seinen Fehlern und wo er im Leben gescheitert ist. Einem narzisstischen Menschen wird zu dieser Frage keine Antwort einfallen, weil es in seinem Leben keine Fehler und kein Scheitern gibt bzw. er die damit verbundene Ohnmacht nicht aushalten könnte. Aber Vorsicht: Narzissten können sehr schnell auf der kognitiven Ebene dazulernen. Achten Sie darauf, ob der Gefragte sich in das Scheitern wirklich hineinversetzen kann oder ob er es nur sagt, damit er eine Antwort geben kann, für die er von Ihnen Anerkennung erhält.
Leider können Sie zu Beginn einer Beziehung nicht vorhersagen, ob ihr Partner narzisstische Züge hat oder nicht. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl, wenn Ihnen die Liebesbekundungen (Love Bombing) zu viel vorkommen. Wenn Sie ein gutes Selbst-Bewusstsein haben, werden Sie spüren, wann sich das Fähnchen in der Beziehung zum Narzissten dreht und er in die Abwertung geht. Sprechen Sie darüber, ohne sich in Worte verwickeln zu lassen, auf die keine Handlungen folgen.
Wenn Sie mehr zum Thema wissen möchten, empfehle ich Ihnen, in die unten aufgeführten Podcasts reinzuschnuppern und/oder das Buch von Wendy Behary zu lesen.
Am besten hören Sie auch, was Pablo Hagemeyer zu dem Thema zu sagen hat. Er ist selbst Psychotherapeut und bezeichnet sich als "netten Narzissten". Im Narzissmus sieht er eine Selbstwertgefühlregulationsstörung, bei dem der Betroffene nur Interesse für sich selbst, jedoch nicht an anderen hat. Sein Podcast ist authentisch, er untermalt seine eigene Geschichte mit dem Beispielpärchen Tom und Tina. Am Ende hören Sie, wie die Geschichte von Tom und Tina ausgeht. Es bleibt die Hoffnung, dass Menschen mit einer narzisstischen Störung einen wohlwollenden Spiegel von außen annehmen und lernen, dass es Besserung gibt und sie Beziehungen mitgestalten können. Auch sie sind wertvolle Menschen, die geschützt und geliebt werden wollen.
Wenn Sie sich erkannt haben: Gehen Sie raus aus der Aktionslosigkeit und werden Sie aktiv!
Kontaktieren Sie mich, wenn Sie Unterstützung benötigen.
Quellen:
Behary, Wendy (2014): Mit Narzissten leben - Wie Sie selbstbezogene Menschen entlarven und dabei wachsen können. Junfermann Verlag Paderborn.
Hagemeyer, Pablo (2020): Gestatten, ich bin ein Arschloch (Ein netter Narzisst und Psychiater erklärt, wie Sie Narzissten entlarven und ihnen Paroli bieten) (Podcast). Medienverlag Coefeld. Gefunden am 04.06.2024 unter: https://open.spotify.com/album/0N0a5BGDjbhMYF5NRyRcjH?si=EyaSoCdMQNeqxo1EunROIg
Langosch, Nele (2021): Kein Herz fürs eigene Kind. Gefunden am 04.06.2024 unter: https://www.spektrum.de/news/narzisstische-eltern-kein-herz-fuer-die-eigenen-kinder/1870531
MSD-Manuals (2023): Narzisstische Persönlichkeitsstörung. Gefunden am 04.06.2024 unter: https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/psychiatrische-erkrankungen/pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rungen/narzisstische-pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung-nps
Stahl, S./Klaschinski, L. (2020): So bin ich eben! Stefanie Stahls Psychologie-Podcast für alle "Normalgestörten" vom 17. Juni 2020: Was ist eine toxische Beziehung und wie komme ich da raus? Gefunden am 04.06.2024 unter: https://open.spotify.com/episode/4yxNUb8QeT8Z2VLaz4Y4Mr?si=X48En3dxSn2NOaXhyZbrHQ
Stahl, S./Klaschinski, L. (2020): So bin ich eben! Stefanie Stahls Psychologie-Podcast für alle "Normalgestörten" vom 21. Okt. 2020: Ich bin ein Narzisst - was kann ich tun? Gefunden am 04.06.2024 unter: https://open.spotify.com/episode/5Pc5yv6DekbjbroS1PlPEy?si=UrNJZ2pxT46QZNDrjpu7gw
Stahl, S./Klaschinski, L. (2021): So bin ich eben! Stefanie Stahls Psychologie-Podcast für alle "Normalgestörten" vom 30. Juni 2021: Ich raste aus! Wie gehen wir mit Wut um? Gefunden am 04.06.2024 unter: https://open.spotify.com/episode/6okOhwn9LkKUev8DBzWslh?si=BNiAiiBQSLWAFRxxLHZ0cw&nd=1&dlsi=ccaa6704eded495e